Zuletzt aktualisiert am 29. November 2024
Wilder Kaiser & Klettern. Mythos und Legende. Schauplatz zahlreicher alpinistischer Höchstleistungen und Traumziel vieler Bergsteiger, Wanderer und Bergliebhaber. Und wenn der Arlberg die Wiege des Skisports ist, so ist der Wilde Kaiser sicher einer der Orte, die als Wiege des modernen Alpinsports bezeichnet werden kann. Und der „Koasa“, wie ihn die Einheimischen liebevoll nennen, hat seit den Anfangszeiten mit seinen beeindruckenden Gipfel nichts an Faszination eingebüßt.
Wer nicht mindestens einmal in seinem Bergsteigerleben die Hand an diesen scharfkantigen und doch so weichen Kalkstein gelegt hat, der hat definitiv etwas verpasst. Und wer tatsächlich auf einer der zahlreichen Berg- und Klettertouren im Wilden Kaiser Hand angelegt hat, der hat sicher auch das ein oder andere Andenken an diesen weichen und doch so scharfkantigen „Kaiser-Kalk“ mitgenommen.
Auf unseren Touren, die den legendären Erstbegehungen folgen, begeistern uns die hohen Türme, die schnittigen Grate und die beeindruckenden Tiefblicke immer wieder aufs Neue. Inzwischen haben wir 4 von 6 Klassiker-Routen bezwungen, den „Koasa“ ins Herz geschlossen, und kommen jedes gerne Jahr wieder zurück!
Werbung: Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit den Kitzbüheler Alpen.
Vergangenheit und Gegenwart im Wilden Kaiser
Während wir die Wände des Predigtstuhl nach oben Klettern, kommen mir immer wieder die Bilder der Ackerlspitze in den Sinn. Der 2.330 Meter hohe Gipfel war meine erste echte Berührung mit dem Wilden Kaiser. Und die liegt schon einige Jahre zurück. Ob wir damals über das Große oder das Kleine Griesener Kar aufgestiegen sind, kann ich nicht mehr sagen. Auf jeden Fall war die Fritz-Pflaum-Hütte ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Gipfel, den wir letztlich nie erreicht haben.
Die bergsteigerischen Fähigkeiten unserer damaligen Gruppe waren definitiv nicht auf die steilen, schroffen und abweisenden Wiesen und Wände des Kaisers ausgerichtet. Die Ausrüstung auch nicht. Und so siegte damals die Vernunft, die uns kurz nach der Fritz-Pflaum-Hütte zur Umkehr bewog.
Der Wettersteinkalk, der den bis zu 1.000 m mächtigen sichtbaren Oberbau bildet, prägt das Kaisergebirge mit seinen hellgrauen und steilen Felswänden und den teils bizarr anmutenden Felsnadeln.
Warum mir gerade jetzt diese Erinnerungen wieder in den Kopf kommen, kann ich nicht sagen. Vielleicht sind es die markanten Gipfel des Wilden Kaiser. Vielleicht weil auch die heutige Tour eine Herausforderung ist. Vielleicht auch die Tatsache, dass das vermeintliche „Scheitern am Berg“ oft prägender ist, wie ein erfolgreicher Gipfelsieg. Denn das „Scheitern“ gehört ebenso zu den Erfolgen am Berg, wie der Blick vom Gipfel ins Tal. Es ist der Sieg der Vernunft. Und nicht zuletzt diese Erfahrung hat mich heute wieder in dieses beeindruckende Gebirge zurück geführt.
Mit etwas Abstand betrachtet ist es vermutlich die Gestalt des Wilden Kaiser, die mir diese Gedanken wieder durch den Kopf gehen ließ. Denn mit seinen steil abfallenden Wänden, seinen scharfkantigen Graten und teils bizarren Formen, mit seinen dunklen Rinnen und manchmal auch brüchigen Felszacken, lehrt und mahnt er mit dem ersten Griff an den Fels einen jeden Bergsteiger zur Demut. Zur Demut und zur Vorsicht.
Die Predigtstuhl Nordkante ist eine der 6 klassischen Alpin-Klettertouren
Seit damals hat sich einiges geändert. Meine eigenen Fähigkeiten sind besser geworden, und die Erfahrungen zahlreicher. Geblieben ist der Respekt. Er ist im Laufe der Jahre definitv noch größer geworden. Dem Berg gegenüber, gegenüber der Natur und gegenüber dem Leben.
Heute sind wir wieder einmal mit den Kitzbüheler Bergführern auf dem Weg. Sie haben uns auch auf unseren ersten beiden Gipfeln, der Fleischbank und dem Totenkirchl, begleitet. Heute ist nun der Predigtstuhl das Ziel. Für mich in einigen Abschnitten eine wirkliche Grenzerfahrung. Weniger konditionell als vielmehr für den Kopf. An die eigenen Grenzen heran und ein stückweit auch darüber hinaus.
Das betrifft nicht nur die Kletterstellen, die teils bis in den 4. Grad UIAA reichen. Das betrifft zu allererst auch die Steilheit des Geländes, das im Vergleich zu unseren bisherigen Touren im Wilden Kaiser noch einmal deutlich an „Vertikalität“ zugelegt hat. Und es betrifft auch das berühmt-berüchtigte Oppelband, das kurz vor dem finalen Gipfelaufstieg noch einmal unter Beweis stellt, wie klein wir doch alle inmitten dieser grandiosen Bergwelt sind.
Kurze Zeit später durchkletterte Karl Botzong den nach ihm benannten Kamin auf den Gipfel. Die Nordkante, die im Rahmen der „Kaiser hoch 6 Touren“ begangen wird, wurde von verschiedenen Kletterpionieren einige Jahre später begangen. 1906 unter anderem durch den Münchener Bildhauer Otto Oppel.
Mehr zur Geschichte der Erstbegehungen findest Du auf der Seite der Kitzbüheler Bergführer.
Wir vor einem Jahr zum Totenkirchl, ging es auch heute von der Griesner Alm in unser Abenteuer „Wilder Kaiser“. Zunächst in Richtung Stripsenjochhaus, dann über einen Teil des Eggersteig bis zum Einstieg in diese beeindruckende Tour. über die Nordkante. Zunächst noch gemächlich, ragen die Felswände von Schritt zu Schritt steiler dem Himmel entgegen. Auf den ersten Blick kaum vorstellbar, dass durch diese abweisenden Wände ein relativ einfacher Weg nach oben führt.
Ãœber das schmale Oppelband auf den Gipfel des Predigtstuhl
Die Routen der Erstbesteiger, die unter dem Namen „Kaiser hoch 6“ von den Kitzbüheler Bergführern angeboten werden, überschreiten nie den 4. Grad UIAA. Somit sind sie, zusammen mit einem erfahrenen Bergführer, auch für versierte und trittsichere Bergsteiger zu bewältigen. Diese klassischen Anstiege folgen den Wegen der großen Pioniere die hier ihre Spuren hinterlassen, und Alpingeschichte geschrieben haben.
Meter für Meter geht es nach höher hinauf. Immer tiefer und weiter schweift der Blick. Von der ersten Schlüsselstelle habe ich gleich mal ein paar Andenken mitgenommen. Dann wird es leichter. 750 Klettermeter sind es insgesamt. 500 Meter hoch die Wand. Und Dank der herrlichen Sicht und der Konzentration auf das Hier und Jetzt ist das Oppelband nicht wirklich ein Thema.
Erst als wir die Rampe, die von Norden auf dieses ausgesetzte und schmale Felsband zuführt erreichen, ist der Fokus voll darauf ausgerichtet.
400 Meter geht es senkrecht nach unten. Ein wahrer Balanceakt, den die meisten kriechend bewältigen. Im Jahr 1906 hatte Otto Oppel diesen Teil erstbegangen.
Unvergessliche Augenblicke
Als ich mich bäuchlings über das schmale Band nach vorne schiebe, stelle ich mir durchaus die Frage nach der Sinnhaftigkeit unseres Unterfangens. Links der kalte, blanke und leicht nach außen gewölbte Kaiserfels. Rechts viel Luft! Das pure Nichts, in dem nur mein Bein nach unten baumelt. Vor mir das orange leuchtende Seil, das mir weniger Orientierung, als vielmehr die nötige Sicherheit vermittelt.
So bewege ich mich Stück für Stück weiter nach vorne. Und dann ist es schon wieder vorbei. Kürzer als ich es erwartet hatte. Und die Sinnhaftigkeit ist plötzlich keine Frage mehr, sondern die Antwort auf das Leben! Ein Ausdruck puren Glücksgefühls und eine Bejahung des Hier und Jetzt. Ein Augenblick, den ich nie vergessen werden, auch wenn andere diese Stelle sicherlich eleganter meistern als ich.
Nur noch eine Wand. Nur noch ein breiterer Rücken. Nur noch wenige Schritte und wir stehen auf dem Gipfel.
Doch der Gipfel bedeutet auf unserer heutigen Tour noch lange nicht das Ende. Während uns am morgigen Tag auf unserer Tour zur Hinteren Goinger Halt ein vermeintlich einfacher Wanderweg ins Tal bringt, stehen heute noch einige Abseilstellen bevor. Durch den teils dunklen Botzong-Kamin geht es nach unten. Ein wenig abklettern. Ein wenig Gehen am kurzen Seil.
Gegenüber grüßen die Wände der Fleischbank, in der zwei Kletterinnen in einer deutlich schwierigeren Route dem Gipfel entgegen streben.
Im Botzongkessel erreichen wir schließlich die ersten markante Steigspuren die hinunter in die steinerne Rinne führen. Die Anspannung weicht einem Gefühl der Dankbarkeit für diesen einzigartigen Bergtag und diese einmalige Erfahrung. Dann steigen wir, immer noch konzentriert, auf dem Eggersteig wieder in Richtung der Griesner Alm ab. Das Ausflugsziel am Ende der Maustrasse ins Kaiserbachtal ist schon von Weitem zu sehen. Und dort wartet schon die Belohnung für unsere 11 glücklichen Stunden im Herzen des Kaisergebirges.
Gegenwart und Zukunft
Während wir es uns bei Kaspressknödel, Blutwurst-Gröstl und Backhendl Salat gut gehen, und die vergangenen Stunden noch einmal Revue passieren lassen, steht schon die Planung für den kommenden Tag an. Ein weiterer grandioser Bergtag. Ein weiterer Kaiser Gipfel. Eine weitere klassische Route. Es geht über den Nordgrat auf die Hintere Goinger Halt. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir und der Wilde Kaiser noch zu erzählen haben.
Zusammen mit der Hinteren Goinger Halt, den Karlspitzen, der Fleischbank und dem Christaturm umrahmt er die Steinernen Rinne, ein ehemalige Gletscherkar Im Norden fällt der Predigtstuhl einer 500 Meter tief ins Kaiserbachtal ab.
Der Name lässt sich wohl auf den Vergleich einer Kirchenkanzel zurückführen von der man, ebenso wie vom 2.115 Meter hohen Gipfel, einen weiten Blick über alles hat. Unter den zahlreichen „Predigtstühlen“, die über den gesamten Alpenraum verteilt sind, ist der Predigtstuhl im Wilden Kaiser in der Kletterszene sicher der bekannteste.