Der Mythos Wilder Kaiser

Zuletzt aktualisiert am 10. Juli 2024

Kaum ein anderes Bergmassiv in den nördlichen Alpen ruft so laut und schon so lange wie der Wilde Kaiser. Bereits im 19. Jahrhundert war „der Koasa“ Sehnsuchtsort und Mekka der frühen Alpinisten. Und der Bergstock wurde zu einem Mythos: dem »Mythos Wilder Kaiser«, der heute wie damals Bergsteiger und Alpinisten in seinen Bann zieht und nicht mehr loslässt.


Auch heute noch finden Cracks der Alpinkletterei immer neue Herausforderungen in und um diesen prägnanten Gebirgsstock. Und während die Einen nach den noch steileren Wänden suchen, bevorzugen Andere die normalen Routen auf die Gipfel. Jedoch erreicht man nicht alle Gipfel auf normalen Bergwegen. Einige wollen auch heute noch erobert werden.

Sonnenstrahlen über dem Kaiserbachtal
Sonnenstrahlen über dem Kaiserbachtal

Die Kitzbüheler Bergführer, ein Zusammenschluss verschiedener Bergschulen der Region, haben unter dem Namen „Kaiser hoch 6“ diese Touren im Programm. Die Klassiker vergangener Epochen. Die schönsten Routen der frühen Pioniere.

Es ist die Kombination aus Bergsteigen und leichter Kletterei die den Reiz dieser Touren ausmacht. Ausdauer, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sollte man mitbringen. Und jede Menge Speicherplatz auf seiner Kamera! Jule und ich haben uns zusammen mit Bergführer Tom Rabl auf den Weg und auf die Spurensuche nach dem „Mythos Wilder Kaiser“ begeben.

Panoramablick über das Ellmauer Tor zur Hinteren und Vorderen Goinger Halt
Panoramablick über das Ellmauer Tor zur Hinteren und Vorderen Goinger Halt

Vorfreude und Respekt

Schon als er uns von den verschiedenen Routen am Tag vor unserer Tour erzählt merkt man, dass diese Routen, die Berge und Ihre Geschichte, etwas ganz Besonderes sind. So wie unsere Gesichter strahlen, so strahlen seine Augen an diesem Nachmittag im Hotel Kaiserfels in St. Johann in Tirol. Sie leuchten, obwohl er sicher schon zig mal in den Wänden des Koasa stand.

Schwere Klettersteige, Hallenkletterei und kürzere Wände in den Klettergärten der Steinberge haben wir schon gemeistert. Der Kaiser ist aber ein ganz anderes Kaliber. Allein der Name flößt Ehrfurcht und Respekt ein. Der Anblick der hohen Felszacken im Nordosten Tirols ohnehin.

Geologie
Geologisch gehört das Kaisergebirge zu den Nördlichen Kalkalpen.

Der Wettersteinkalk, der den bis zu 1.000 m mächtigen sichtbaren Oberbau bildet, prägt das Kaisergebirge mit seinen hellgrauen und steilen Felswänden und den teils bizarr anmutenden Felsnadeln.

Der Fels ist griffig, teils schroff und auch scharfkantig.

Herrlicher Tiefblick
Herrlicher Tiefblick

Die meisten Blicke auf den Kaiser haben wir bisher aus gebührender Entfernung geworfen. Auf dem KAT Walk, dem Koasa-Trail oder auch im Verlauf der zahlreichen Skitage in St. Johann oder Fieberbrunn. Nun geht es mitten hinein. Die schönsten Routen stehen zur Wahl. Und die höchsten Gipfelziele. Ellmauer und Goinger Halt, Fleischbank, Totenkirchl, Predigtstuhl und Lärcheck. Alle über 2100 Meter hoch. Alle stehen sie eine ruhmreiche Vergangenheit aus den ersten Tagen des Alpinismus.

Naturschutzgebiet Kaisergebirge
Im Jahr 2023 feierten die Tourismusverbände Kufsteinerland, Kitzbüheler Alpen St. Johann in Tirol und Wilder Kaiser das 60-Jahre-Jubiläum des Naturschutzgebiets Kaisergebirge.

Am 29. April 1963 erklärte Land Tirol das Kaisergebirge zum Naturschutzgebiet mit dem Ziel des Schutzes von Flora & Fauna mit all ihren lokalen Besonderheiten, das Verbot von jeglichem motorisierten Verkehr oder (weiteren) Seilbahnbauten, das Bewahren dieser einzigartigen Bergwelt für nachfolgende Generationen und die Erhaltung einer „Oase der Ruhe“ in einer vom Wirtschaftswachstum geprägten Zeit bzw. Gesellschaft.

Ziele die auch über 60 Jahre später nichts an ihrer Bedeutung verloren haben.

Erstbesteigung

Für unsere persönliche Erstbesteigung haben wir uns die Fleischbank ausgesucht. Der Berg, der wie kaum ein anderer für die Geschichte des Klettersports steht. Der erste Karabinerhaken zur Sicherung kam hier zum Einsatz. Die weltweit schwierigste Tour im Alleingang im Jahr 1925. Die erste Tour im 7. Schwierigkeitsgrad 1977. Und 1994 die schwerste Alpinkletterei im Schwierigkeitsgrad 10+ durch Stefan Glowacz.

All das hat hier stattgefunden. All das ging hier in die Geschichte des Alpinismus ein und hat die Fleischbank, wie auch den Wilden Kaiser, berühmt gemacht.

Ein riesiger Spielplatz für Freunde des Fels
Ein riesiger Spielplatz für Freunde des Fels

Schon früh hat die Eisenbahn Bergsteiger aus dem Münchener Raum hierher gebracht. Mit den fortschreitenden Rekorden zog es auch die ganz großen Alpinisten und Kletterer hierher.

Nun stehen wir auf der vor den Wänden des Bergmassivs. Von der Griesner Alm geht es in Richtung Stripsenjochhaus und über den Nordgrat nach oben. Kletterpassagen bis in den Schwierigkeitsgrad 3+ warten. Meist bleibt das Niveau aber darunter. Damit ist die Fleischbank eine der leichteren Touren im Sextett. Der perfekte Einstieg.

Rhythmus & Herzschlag der Berge

Leicht trifft es natürlich nicht ganz. Es handelt sich um eine durchaus anspruchsvolle alpine Tour. Schnell merken wir, dass es in der Seilschaft auf den richtigen Rhythmus ankommt. Und an den schwierigen Passagen ist durchaus der ein oder andere Griff der mir fehlt. Glücklicherweise klettert Jule besser wie ich und ist kurz vor mir eingebunden. Schritt für Schritt geht es gemeinsam dem Ziel entgegen.

Grandiose Eindrücke an der Fleischbank
Grandiose Eindrücke an der Fleischbank

Die Tiefblicke werden immer grandioser. Und mit zunehmender Höhe wird auch das Kaiserpanorama immer beeindruckender. Steinerne Kathedralen die sich in den strahlend blauen Tiroler Himmel schrauben. Der Predigtstuhl direkt gegenüber gleicht einer uneinnehmbarer Festung. Vom Totenkirchl auf der anderen Seite ganz zu schweigen.

Und dennoch finden sich auch dort diese herrlichen Aufstiegsrouten. Wie die unsere, die uns an diesem Tag bis auf den Gipfel der Fleischbank führt.

Geschichtsträchtige Orte

Auf 2187 Metern Höhe beginnt der entspanntere Teil der Tour. Abseilen in Richtung der Steinernen Rinne. Über mehrerer Standplätze geht es immer tiefer. Bis auf das weite Schotterfeld zwischen Fleischbank und Predigtstuhl.

Im Abstieg laufen wir an jenen Orten ein, die als  Meilensteine der Klettersports in die Geschichte eingingen. Der Dülferriss, die Ostwand und „des Kaisers neue Kleider“ vorbei. In dieser 10+ sehen wir hoch oben ein freihängendes Biwak aus dem gerade ausgecheckt wird. Beeindruckend.

Rückweg über den Eggerweg
Rückweg über den Eggerweg

Das Lächeln in unseren Gesichtern wird immer größer. Der Respekt über die Leistungen von Dülfer und Co. im Angesicht der 350 Meter hohen Kletterwände ebenso. Die Konzentration ist immer noch hoch, als wir über den teilweise mit Drahtseilen gesicherten Eggerweg absteigen und letztlich, nach 8 Stunden und 15 Minuten, den Ausgangspunkt an der Griesner Alm wieder erreichen.

Mythos Wilder Kaiser

Glücklich und zufrieden strecken wir unsere Füße in den herrlich erfrischenden Kaisertalbach. Das Erlebte können wir noch gar nicht wirklich begreifen. Die herrlichen Eindrücke. Die vielen Emotionen und die beeindruckenden Bilder im Herzen des Kaisergebirges waren während der Tour durchaus präsent. Aber was wir an diesem für uns so perfekten Bergtag erlebt und geleistet haben, müssen wir in der Tat erst verarbeiten.

Kletterfreude
Kletterfreude

Natürlich sind wir nicht annähernd an die Leistungen der Pioniere herangekommen. Natürlich sind die Schwierigkeitsgrade, die an den Wänden des „Koasa“ erklettert wurden, für uns so fern, wie die Sterne am Tiroler Himmel. Und natürlich haben wir den Unzähmbaren nicht gezähmt.

Wir sind nur ein stückweit den Spuren derer gefolgt, die hier ihre große Fußstapfen hinterlassen. Wir durften selbst den Rhythmus und den Herzschlag dieser Berge kennenlernen. Und wir verstehen nun, warum der Wilde Kaiser so viele Generationen an Bergsteigern geprägt hat und noch immer prägt. Warum der Wilde Kaiser so viele der ganz Großen inspiriert. Warum er ein Mythos ist.

Planung, Linktipps & mehr

Anreise

Anreise mit dem Auto nach St. Johann in Tirol
Aus Richtung München kommend (A 8) am Inntal-Dreieck auf die A93 in Richtung Kufstein, dort abfahren auf die B173, später auf die B178 nach St. Johann in Tirol

Von Innsbruck kommend auf der A12 bis Wörgl, dort auf die B178 in Richtung St. Johann in Tirol

Umweltfreundlich mit mit der Bahn anreisen
Fast alle Kitzbüheler Alpen Orte liegen an Bahnhöfen mit internationalen Bahnverbindungen.

Von München oder Innsbruck geht es zunächst mit der Bahn nach Wörgl und dort in die Regionalbahn. Zwischen Wörgl und Hochfilzen ist das Zugticket für alle Nahverkehrszüge in der Gästekarte inkludiert, die man auch als mobile Gästekarte im Vorfeld vom Vermieter erhalten kann.


Ãœbernachten

Unsere Unterkunft
Wir haben im Hotel Kaiserfels in St. Johann in Tirol übernachtet. Von dort sind wir in etwa 20 Minuten in Richtung Griesenau und weiter ins Kaiserbachtal gefahren (Mautstrasse; 4,00€/PKW). Um 5:40 Uhr sind wir von dort aus aufgestiegen.

Wer direkt imKaiserbachtal übernachten möchte, für den bietet sich die Griesner Alm an. Das kleine Hotel liegt am Ende der Mautstrasse des Kaiserbachtals und somit direkt am Beginn des Aufstiegs zum Stripsenjochhaus. Seit 2023 beherbergt das neu aufgebaute Haus, das 2021 durch ein Feuer zerstört wurde Gästen wieder eine Unterkunft.

Alternativ bildet auch das bereits erwähnte  Stripsenjochhaus, kurz über dem Einstieg, zur Fleischbank mit seinem Matratzenlager ein perfektes Basislager.


Bergführer

Kaiser hoch 6

Kaum sonst irgendwo lässt sich die gesamte Historie des Klettersports so kompakt und hautnah erleben wie im Wilden Kaiser. Jeder einzelne Gipfel erzählt unzählige Geschichten, jede Wand präsentiert ein noch spannenderes Kapitel der Alpingeschichte.

Auf sechs ausgewählten historischen Kletterrouten folgt man beim Kaiser hoch 6 dem Abenteuergeist der Erstbegeher. Jede dieser Routen wurde vor über 100 Jahren das erste Mal durchstiegen.

Fleischbank, Predigtstuhl, Totenkirchl sind die berühmtesten Klettergipfel des Wilden Kaisers. Hier wurde Alpingeschichte geschrieben. Die Ellmauer Halt, die Hintere Goinger Halt und das Lärchegg komplettieren das Sextett der Kaisergipfel auf die klassische Anstiege puren Klettergenuss versprechen.

Detailinformationen zu den 6 unterschiedlichen Tourenzielen gibt es auf der Webseite der Kitzbüheler Bergführer.

Neben dem Schwierigkeitsgrad der Tour finden sich da auch Hintergrundinformationen zum Berg, seinem Namen und der Geschichte der Erstbesteiger.


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