Zuletzt aktualisiert am 3. April 2020
Weitwanderwege und Etappenwanderwege liegen voll im Trend. Dabei ist es egal, ob es sich die Wege entlang der Flüsse, durch Täler, oder über hohe Gipfel erstrecken. Einige dieser Wege erfahren einen regelrechten Boom, weshalb sie leider viel an ihrer Ursprünglichkeit und dem tieferen Sinn des Gehens verlieren. Woher aber besteht die Faszination für Mehrtagestouren und Weitwanderwege? Warum quält man sich über Tage oder in kürzester Zeit über eine lange Strecke hinweg? Erklärungsversuche.
Weitwandern im Allgäu, an der Mosel, durch Österreich, Slowenien oder Italien. In diesem Jahr sind einige Weitwanderwege in meinem Blog dazu gekommen. Vor vielen Jahren bin ich den E5 die ersten Male gegangen. Damals, als Kind und Jugendlicher, habe ich mir nicht viele Gedanken über das Gehen und den tieferen Sinn dahinter gemacht. Wir sind ihn einfach gegangen. Jedes Jahr im Sommer. Eine Woche oder 10 Tage. Je nach Wetter und Unterkunftsmöglichkeit. Seitdem weiß ich zumindest, dass Du zu Ferragosto und drumherum kaum eine Chance auf eine spontane Unterkunft in Italien hast. Um den 15. August herum ist da alles auf den Beinen, und somit auch auf den Hütten.
Damals war das Wandern oder Bergsteigen einfach ein Teil des Sommers. Nicht mehr und nicht weniger. Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, welches Glück ich eigentlich hatte, das Alles erleben zu dürfen. Damals waren Spaghetti auf den Hütten noch so ziemlich die einzig warme Mahlzeit. Warmes Wasser? Ja. In der Teetasse. Auf den einzelnen Etappen hat man immer wieder neue Begegnungen mit Menschen gehabt.
Dennoch war man untertags nahezu allein unterwegs. Heute sieht das anders aus. Klassiker wie der E5 sind längst hoch frequentiert. Die Hütten bei weitere nicht mehr so natürlich und ursprünglich wie damals. Wie die Zeit, so kann man auch einige Dinge nicht mehr zurückdrehen. Aber in Sachen Wege gibt es einige Alternativen, die ich am Ende dieses Blogs zusammengestellt habe.
Aber zurück zur eigentlichen Frage. Worin besteht die Faszination und Warum tut man sich das an? Ich mache das an sechs verschiedenen Punkten fest. Jeder Punkt steht für sich und ist dennoch untrennbar mit den anderen verbunden: Herausforderung, Gesundheit, Gemeinschaft, Natur, Erdung.
Herausforderung
Natürlich ist die Herausforderung ein Motivationspunkt für eine Unternehmung dieser Art. Dabei geht es weniger um das „Höher, Schneller, Weiter“, wobei auch das sicher den ein oder anderen antreibt. Der „Kampf mit den Elementen“. Du gegen den Berg. Auch teilweise gegen die mitunter widrigen Wetterbedingungen, die im Laufe einer längeren Tour Körper und auch Geist beeinflussen können. „Den inneren Schweinehund“ überwinden. Für sich persönlich etwas zu erreichen. Es zu schaffen. Das Abenteuer zu bewältigen. Ein aus meiner Sicht starker Antrieb, ohne den eine Etappenwanderung nicht unbedingt Sinn macht. Das Ganze geht aber schon vor der einer Tour los. Konditionelle Grundlagen schaffen, aber auch seine Grenzen im Vorfeld erkennen und abstecken, damit im Falle eines Falles auch ein vorzeitiges Ende einer längeren Tour eintreten kann.
Gesundheit
Unmittelbar mit der sportlichen Herausforderung geht der Gesundheitsgedanke einher. Nicht nur der Körper ist im Laufe einer langen Tour einer Belastung ausgesetzt. Auch der Geist. Dabei geht es wie bereits erwähnt darum, seine Grenzen zu kennen und richtig einzuschätzen. Es geht aber auch darum seinem Körper trotz der hohen Belastung etwas Gutes zu tun. Eine Erholung auf einer Etappenwanderung findet aus meiner Sicht auch sehr stark im Geist statt. Die Natur heilt und befreit. Lässt Raum für neue Gedanken und wirkt positiv auf das Bewusstsein. Bei großer Anstrengung verfliegen negative Gedanken und Probleme auch schneller. Natürlich auch, weil man seine Energie für andere Dinge einsetzen muss. Oder aber, weil der Kopf sich auf das Hier und Jetzt konzentriert, wie das auf kletterten Passagen der Fall ist. Bereits bei Tagestouren spüre ich diese positive Kraft. Auf langen Touren noch viel mehr.
Gemeinschaft
Alleine auf Tour ist eine tolle Sache. Auf den Hütten und auch während der Tour kann man immer wieder wunderbare Bekanntschaften machen. Gemeinsam auf Tour sein und seine Erlebnisse miteinander teilen ist ein noch prägenderes Erlebnis. Nicht nur weil man gemeinsam das Erlebte aufrecht erhalten kann, sondern auch, weil man sich auf einer Mehrtagestour aufeinander einstellen muss. Als eingespieltes Team unterwegs zu sein. Rücksicht aufeinander zu nehmen. Gemeinsam den inneren Schweinehund überwinden. Am Ende eines langen Tages zu Zweit oder in der Gruppe den Tag Revue passieren lassen und sich und das leben feiern.
Natur
Bekannte Landschaften neu entdecken oder neue Landschaften erleben. Gipfel, Täler, See, Wasserfälle und Bachläufe, Alpwiesen und Felswüsten. Überall gibt es neue Dinge zu entdecken. Und allzuoft findet man die Schönheit nicht in den hohen Gipfel und den riesigen Panoramen. Oft ist die Schönheit und die Kraft der Natur versteckt im Kleinen zu beobachten. Man muss nur Genaus hinsehen. Und das Schöne an einer Mehrtagestour ist, dass man von Tag zu Tag sensibler für diese Eindrücke wird und von Tag zu Tag mehr genießen kann.
Erdung
Erdung. Ein weiter Begriff. Für mich bedeutet er „auf dem Boden zu bleiben„. Zu wissen wo man herkommt und wo man hingehört. Seinen Kopf freizumachen und das Jetzt genießen zu können. Wurzeln zu haben aber nicht zu wurzeln. Einen Ort zu haben an den man gerne zurückkehrt. Für mich ist das mein zu Hause genauso wie die Natur und die Berge. Lange Touren bringen mich dazu, mich vollends zu erden. Das liegt eventuell auch an der Einsamkeit. Ich weiß, das mag nun im Widerspruch zum Punkt der Gemeinschaft stehen. Aber auf langen Strecken ist man oft genug „einfach nur für sich und mit sich beschäftigt„. Auch wenn man zusammen unterwegs ist, hat man genug Zeit, die man mit sich selbst und seinen eigenen Gedanke verbringen kann.
All die genannten Punkte gehören dabei unmittelbar zu diesem, für mich wichtigstem Punkt, dazu. Freiheit. Gesundheit. Gemeinsam da zu sein, wo wir uns wünschen zu sein und wo wir „daheim sind“. Egal wo das ist. Auf den hohen Gipfel, den Tälern, an Seen, Wasserfällen oder Bachläufen.
Lust bekommen? Hier eine Sammlung verschiedener Etappen- und Weitwanderwege:
Mehrtagestouren und Weitwanderwege
Der Grenzgänger im Allgäu – 6 Tage entlang der deutsch-österreichischen Grenze
Der Alpe Adria Trail – in 37 Etappen vom Fuße des Großglockner bis zur Adria
Der Koasa-Trail – auf 79 Kilometern Länge rund um St. Johann in Tirol
5 Tage von Hütte zu Hütte – bergauf und bergab entlang des Allgäuer Hauptalpenkamms
Moselsteig – auf 365 Kilometern durch eine der schönsten Weinanbauregionen Deutschlands
WaiWi – 3 Tage im Pillerseetal von Waidring nach Fieberbrunn
Langstreckentouren
Nagelfluhkette – 14 Kilometer auf Gottesbeton
Jubiläumsweg – eine der landschaftlich schönsten „Streckenwanderungen“ im Allgäu
für den Winter
Nockberge-Trail – mit den Tourenskiern durch Kärnten
Noch mehr Weitwanderwege…
…findest Du im Blogger-Roundup von Couchflucht. Da geht es um Fernwanderwege und Mehrtagestouren in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ich hoffe, dass ich irgendwann den Pöppes hoch bekomme und solche Fernwanderwege beschreite.Respekt habe ich davor und würde den ersten wohl eher in Begleitung gehen wollen. Tagelang unterwegs, das wäre es in diesem Sommer, bei dem Wetter, echt gewesen.
Ja Elke, der Sommer war schon ein Gedicht vor eine solche Unternehmung. Aber Du hast ja mit dem Moselsteig zumindest einen Teil schon gemacht 😉 Mehrere Tage am Stück ist natürlich eine andere Nummer. Weniger wegen der Anstrengung (je nach Tour), sondern einfach aufgrund der unbeschreiblichen Erholung!!! Das packst Du schon! Liebe Grüße, Björn