Nachhaltiger Wintertourismus – geht das?

Keine Frage. Natürlich Benötigt Wintersport Fläche. Natürlich verbraucht Wintersport Energie. Und natürlich kann man sich die Frage stellen, ob das für das reine Vergnügen notwendig ist. Stimmt man allerdings dem Umstand zu, dass der Wintersport für verschiedene Regionen der wichtigste oder gar einzigste Wirtschaftsfaktor ist, muss man konsequent die Frage stellen: „Wie können Eingriffe in die Natur, Energieverbrauch und das generelle Konsumverhalten reduziert, optimiert und an die aktuelle Situation unseres Planeten angepasst werden? Und was können wir als Sportler und Urlauber dazu beitragen?“


Am Beispiel Lech Zürs am Arlberg habe ich mich mit der Thematik näher beschäftigt. Ich habe den Ort besucht und einen Blick hinter die Kulissen und in die Zahlen rund um diese brennende Frage gewagt. Mit zum Teil überraschenden Ergebnissen.

Lech Zürs am Arlberg ist Mitglied bei Best of the Alps, einem Zusammenschluss führender Destinationen in den Alpen. Best of the Alps ist nicht nur ein weiterer Zusammenschluss um Marketing zu betreiben.

Lech am Arlberg
Lech am Arlberg

Die Vereinigung bringt die Verantwortlichen der Destinationen zusammen, fördert den Informationsaustausch und transformiert sich zu einer Wissensplattform für Nachhaltigkeit. Und in der Transformation befindet sich der Tourismus, speziell der Wintertourismus, seit jeher. In Sachen Angebotsgestaltung und technischem Fortschritt ebenso, wie im Bereich der Nachhaltigkeit und dem Schutz der eigenen Ressourcen.

Was bei den Top Destinationen der Alpen schon lange »State of the Art« ist, aber kaum kommuniziert wurde, rückt nicht erst seit den medial immer präsenteren Klimaprotesten in den Fokus. Nicht erst seit gestern fragen sich Tourismusdirektoren, Bürgermeister und auch die Bewohner der zahlreichen Tourismusorte in den Alpen, wie sie ihre Heimat, die Natur, aber auch ihre Lebensgrundlage schützen und bewahren können.

Ãœber Best of the Alps
Best of the Alps wurde im Jahr 1989 gegründet.

Dem Zusammenschluss der führenden Berg-Destinationen gehören aktuell zehn Mitglieder aus fünf Ländern an: Chamonix-Mont-Blanc, Cortina d’Ampezzo, Courmayeur, Crans-Montana, Davos, Garmisch-Partenkirchen, Kitzbühel, Lech Zürs am Arlberg, Megéve und St. Anton am Arlberg. Allesamt traditionsreiche, natürlich gewachsene und besonders renommierte Orte, insbesondere wenn es um Wintersport in Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien und Frankreich geht.

Die Gemeinschaft etabliert sich als Kompetenzzentrum: Wissenstransfer, Bündelung von Ressourcen und Know-how. Best of the Alps und seine Mitglieder streben eine Führungsrolle in Sachen »umweltfreundlicher Tourismus« an.

Wintertourismus & Nachhaltigkeit – geht das zusammen?

Die Antwort darauf: Es besteht zumindest die Chance, sofern sich alle Beteiligten darum bemühen.

Und zu den Beteiligten zählen nicht nur die Destinationen, die touristischen Leistungsträger und Beherbergungsbetriebe. Zu diesen Beteiligten zählen auch wir. Wir Konsumenten, wir Erholungssuchende, wir Individuen, mit unseren individuellen Bedürfnissen und Wünschen an uns und unsere Lebensweise. Aber der Reihe nach.

  1. Energieverbrauch im Ski- und Wintertourismus
  2. Wärmeversorgung
  3. Tourismus und Kulturlandschaft
  4. Ganzjahrestourismus
  5. Anreise und Aufenthaltsdauer
  6. Resümee 

Energieverbrauch und Wintertourismus

Dass die Energieversorgung von Liftbetrieben aus regenerativer Wasserkraft heraus erfolgt, ist sicher keine bahnbrechende Neuigkeit. Erst recht nicht in Österreich, das aufgrund der Einwohnerzahl, des Energieverbrauchs und auch aufgrund der geografisch-geologischen Gegebenheiten ohnehin einen Großteil seiner Energie aus der Wasserkraft heraus bezieht.

Die Tatsache ist auch nicht einzig im Umweltschutz begründet, sondern hat natürlich auch einen ökonomischen Hintergrund. Dennoch bliebt festzuhalten, dass die Liftanlagen in Lech Zürs ausschließlich mit Energie aus Wasserkraft betrieben werden. Die Zeiten der Dieselmotoren, mit den weithin sichtbaren »Rauchzeichen« gehören längst der Vergangenheit an.

Interessant in diesem Zusammenhang ist der Anteil des österreichischen Energieverbrauchs, der auf den Tourismus, und speziell auf den Wintertourismus entfällt. Im Vergleich zum gesamten Stromverbrauch in Österreich entfallen auf den Seilbahn-Sektor 1,2%. Inklusive der im Winter anfallenden technischen Beschneiung. Dabei generiert dieser Sektor in der Wertschöpfungskette einen Bruttoumsatz von über 11 Milliarden Euro.

Seilbahnen und Energie - Die im Factsheet veröffentlichten Zahlen zu Energie beziehen sich auf den durchschnittlichen jährlichen Energieverbrauch im Zeitraum 2005-2020 - Quelle: WKO
Die im Factsheet veröffentlichten Zahlen zu Energie beziehen sich auf den durchschnittlichen jährlichen Energieverbrauch im Zeitraum 2005-2020 – Quelle: WKO
Eine Alternative zum Tourismus?
Natürlich könnte man anstelle von Wintersportgebieten auch Fabriken in den Destinationen bauen um Arbeitsplätze zu sichern und Abwanderung zu verhindern. Auch hier müsste man allerdings in Bezug auf die Energiebilanz, etwaiger An- und Abfahrtswege für Transport von Waren, Gütern und Personal, entsprechende Diskussionen führen. Die Naturlandschaft drumherum wäre ja dieselbe.

Wärmeversorgung

Vergleiche ich die Wärmeversorgung in meiner eigenen Heimatstadt oder im Dorf meiner Eltern mit der Wärmeversorgung wie sie in Lech stattfindet, dann klaffen hier eklatante Lücken.

Das mag einerseits an den dort generierten Geldern liegen, die über den Tourismus erwirtschaftet werden, und in entsprechende Infrastrukturprojekte investiert werden können. Andererseits ist auch hier wieder ein ökonomischer Druck vorhanden, der in ökologisch verträglichere Technologien mündet. Und natürlich gehört ein gewisses Maß an Pioniergeist dazu, nahezu einen ganzen Ort über ein eigenes Fernwärmenetz anzuschließen und zu versorgen. Bei mir am Ort gibt es das nicht.

In Lech sorgen eigene Biomasse-Heizkraftwerke dafür, dass es warmes Wasser und warme Wohnungen gibt. Das dafür verwendete Holz ist sogenanntes Sägerestholz und wird zu 95% aus Vorarlberg bezogen. Die restlichen 5% kommen laut dem Franz-Josef Schmutzer aus dem süddeutschen Raum. Franz-Josef Schmutzer muss es wissen. Er ist Geschäftsführer der Heizwerke und von Anfang an dabei.

Er erklärt mir auch, dass durch den Einsatz moderner Technologien und Filteranlagen der Wirkungsgrad stark erhöhen lässt. Der letztlich immer noch vorhandene Ausstoß an Abgasen wird im gesamten Energiegewinnungsprozess dabei sehr stark reduziert.

Fakt am Rande
Die notwendigen Leitungen wurden nur wenige Meter unter der Erde verlegt. Im selben Zug wurden Leitungen für Fernsehen und Internet verlegt, so dass alles zentral gesteuert werden kann und keine zusätzlichen Gräben ausgehoben werden müssen.

Im Zusammenhang mit der Wärmeversorgung sind natürlich auch die touristischen Leistungsträger in der Pflicht diese Angebote zu nutzen. Das tun sie auch, nicht zuletzt aus den bereits erwähnten ökonomischen Gesichtspunkten heraus.

Aber Unterkünfte können auch mehr tun: der Maßnahmenkatalog der umweltbewussten Betriebsführung reicht von der Abfallvermeidung und -trennung über generelle Energie- und Wassersparmaßnahmen bis hin zur Verwendung und Verarbeitung regional produzierter und saisonaler Lebensmittel. Am besten aus biologische-nachhaltigem Anbau.

Tourismus und Kulturlandschaft

Dieser Punkt ist im Grunde nur eine Folge des Tourismus, aber es ist ein wichtiger, erwähnenswerter Punkt. Viel zu oft wird vergessen, welche Konsequenz es hätte, wenn Tourismus aus Regionen verschwinden würde. Was nicht heißt, dass die Etablierung eines sanften Tourismus diesen Konsequenzen gleichzusetzen wäre.

Aber was könnte ohne den Tourismus geschehen? Viele Destinationen benötigen den Tourismus schlichtweg um zu überleben. Es gibt meist keine Alternative. Keine Industrie, keine Fabriken, kein ausgeprägter Dienstleistungssektor außer dem, der in unmittelbarer Abhängigkeit zum Tourismus existiert.

Nimmt man diese Lebens- und Arbeitsgrundlage, drohen Landstriche zu veröden. Kein Tourismus, keine Einnahmequelle. Keine Einnahmequelle, keine Arbeitsplätze. Keine Arbeitsplätze, keine Zukunft für die folgenden Generationen. Es droht Abwanderung.

Mit der Abwanderung fehlen oft auch Nachfolger für bäuerliche Betriebe. Aufgelassene Höfe führen dazu, dass Kulturlandschaften nicht mehr bewirtschaftet werden und verwildern.

Die Landschaften würden sich verändern. Die Folge wären Verbuschung. Aufgrund von Nichtbewirtschaftung kann die Erosion an Fahrt aufnehmen. Unter anderem können vermehrt Lawinenabgänge einher gehen, da Gräser nicht mehr niedrig gehalten würden, weil die Bewirtschaftung durch Weidevieh fehlt.

Notiz am Rande
Schottische Hochlandrinder sorgen für die Landschaftspflege und den richtigen Bewuchs. Sie halten im Sommer und Herbst das Gras zum Schutz vor Lawinen niedrig. Langes Gras unter dem Schnee würde wie eine Rutsche wirken. Zudem beugen sie der Verbuschung der Landschaft vor.

Die Tiere gelten als sehr geländegängig und dort unterwegs, wo die Bergweiden nicht mehr mit herkömmlichen Tieren oder Maschinen bewirtschaftet werden.

Landschaftspfleger
Schottische Hochlandrinder sorgen im Sommer für die Landschaftspflege

Ganzjahrestourismus

Die Transformation eines Wintersportorts hin zu einer Ganzjahresdestination ist ebenfalls ein Baustein und Bestandteil hin zu mehr Nachhaltigkeit. Gerade in Destinationen, die bis dato voll auf den Wintertourismus gesetzt haben, und deren Ortsbild im Sommer eher einer dieser verlassene Städte aus einem Italo-Western glich.

In den Sommermonaten zwischen Lech und Warth
In den Sommermonaten zwischen Lech und Warth

So sind Unterkünfte, die nur in den kurzen Monaten des Wintersaison genutzt werden sicher nicht nachhaltig. Dasselbe gilt dann in der Folge für die Infrastruktur der Ortschaften. Dennoch gibt es nach wie vor Orte, die aufgrund guter Erträge im Winter den Sommer wenig bis gar nicht »bespielen«.

Eine solche Transformation ist sicher kein leichter Weg. Im Vergleich zum sanft-gleitenden Wintersport eher steinig, müssen doch die verschiedenen Interessengruppen in den Ortschaften an einen Tisch gebracht werden. Aber es geht. Projekte wie der 2021 eröffnete »Arlberg Trail« oder auch der »Grüne Ring« sind durchaus Beleg für dieses Bestreben.

Der »Grüne Ring«

Der »Grüne Ring« ist das sommerliches Pendant zur legendären Skirunde im Winter, dessen Streckenverlauf von Lech über Zürs und Zug nach Oberlech führt.

Anreise und Aufenthaltsdauer

Bei einem Urlaub entfällt generell der größte CO2-Anteil auf die Anreise. Erst recht, wenn man mit dem Auto anreist. Und das betrifft Winter- und Sommertourismus gleichermaßen.

Mit alternativen Verkehrsmitteln, zum Beispiel mit dem Zug, kann man seinen persönlichen CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren. Obendrein kommt man auch wesentlich entspannter am Urlaubsort an. Das aber bedarf eines Umdenkens des Einzelnen und erscheint dem ein oder anderen vielleicht weniger bequem. Wer steigt schon gerne mit Skiern, Skischuhen und Gepäck vom Zug in den Bus und umgekehrt.

Klimaneutrale Anreise mit dem Zug
Klimaneutrale Anreise mit dem Zug

Aber auch das funktioniert. Zumindest wenn die Verkehrskonzepte vor Ort stimmen und die Anbindung von Bus und Bahn gut getaktet ist. Lech selbst hat keinen Bahnhof, ist aber mit dem Bus von zwei Bahnhöfen aus zu erreichen. Langen auf der Vorarlberger Seite und St. Anton auf der Tiroler Seite, sind die Haltepunkte, von wo aus es über den Flexenpass nach Zürs und weiter nach Lech geht.

Und auch in Sachen persönliches Equipment kann man heutzutage gut mit »leichtem Gepäck« verreisen. Denn Fachgeschäfte vor Ort bieten eine große Auswahl an Leihskiern und -zubehör an.

Wenn man den persönlichen CO2-Fußabdruck betrachtet, sollte man aber nicht nur auf die Anreise, sondern auch auf die Aufenthaltsdauer eingehen. Faustregel: je weiter ein Urlaubsort entfernt, desto länger sollte die Aufenthaltsdauer sein.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Bereits im Jahr 2009 hat der WWF in einer neu aufgelegten Publikation den touristischen Fußabdruck analysiert und gibt dort Tipps, wie jeder Urlauber seinen eigenen Fußabdruck verringern kann. Neben Leitfäden zur Anreise finden sich dort auch Tipps zur Wahl des Orts, der Unterkunft oder zum Konsum regional hergestellter Produkte am Urlaubsort.

Resümee

Dies ist kein Plädoyer pro Wintersport. Aber in der Gesamtbetrachtung sollten alle Fakten angesehen werden. Dass ich das aus einer wissenschaftlich-belastbaren Position heraus vornehmen kann, ist sicher nicht der Fall. Aber ich versuche mich als Teil des Großen Ganzen damit zu beschäftigen und neben den oft extremen Positionen von Befürwortern und Gegnern, von Weiß und Schwarz, auch die vielen grauen Schattierungen zu betrachten.

Fakt ist, dass sich, bei aller ökonomischer Zielsetzung die Skigebiete und Wintersportorte ihrer Verantwortung gegenüber der Natur durchaus bewusst sind, entsprechende Maßnahmen ergreifen und auch bereits ergriffen haben. Letztlich ist es ihre wichtigste Ressource und ihre beste Investition in die Zukunft. Es lohnt sich aus meiner Sicht also immer der Blick hinter die Kulissen.

Lech am Arlberg im Winter
Lech am Arlberg im Winter

Ob wir solche Angebote nutzen, bleibt letztlich uns selbst überlassen. Bei Entscheidung für ein Urlaubsziel, bei der Wahl der Anreise und bei der Wahl einer Unterkunft. Bei Unterkünfte können wir uns beispielsweise an solchen orientieren, die durch eine umweltbewusste Betriebsführung herausstechen. Solche Merkmale finden sich immer mehr auch in Buchungsportalen. Zwar basieren die dortigen Angaben aktuell noch auf freiwilligen Angaben und freiwilliger Selbstkontrolle. Aber ich bin mir sicher, dass es in diesem Bereich künftig noch eine viel dynamischere Entwicklung geben wird.

Ein Neubau von Bergbahnen, außerhalb von Ersatz- und Erhaltungsmaßnahmen, halte ich persönlich übrigens für indiskutabel. Auch dieser Verantwortung müssen sich Skigebiete und Bergbahnen bewusst sein und sich ständig aufs Neue hinterfragen.

Letztlich obliegt es aber auch jedem Einzelnen von uns, unser persönliches Verhalten anzupassen und beispielsweise konsequent den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen, längere Aufenthalte in Regionen einzuplanen und unser Konsumverhalten in Bezug auf Freizeitvergnügen zu hinterfragen. Das gilt im Bereich Wintersport für das Alpinskifahren, das Skitourengehen, aber auch das Winterwandern oder Langlaufen gleichermaßen.

 

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