Zuletzt aktualisiert am 12. April 2024
Tief bohren sich die Zacken der Steigeisen in den festen, gefrorenen Schnee. Zahlreiche Tourengeher haben die Spur an diesem Tag schon fest getreten. Der eisige Wind tut sein Ãœbriges.
Schritt für Schritt geht es am Grat entlang nach unten. Und trotz des konzentrierten Abstiegs zwischen Fels und Eis, trotz der kalten Böen, die uns immer wieder ins Gesicht wehen, sind unsere Gesichtszüge entspannt. Ein leichtes, zufriedenes Lächeln. Ein gutes Gefühl.
Wir befinden uns im Abstieg von der Wildspitze, dem zweit-höchsten Berg Österreichs. Vor einigen Minuten standen wir tatsächlich auf dem Dach Tirols.
Für mich war es nicht der erste 3000er. Aber es war mein erster 3000er im Winter. Und wenn man von hier oben über die unzähligen Gipfel in das Alpenpanorama blickt, dann kann man so ein wenig verstehen, warum Winter-Hochtouren so eine Faszination ausüben. Und wie sich der klare Blick auf anderen Dächern so anfühlen könnte.
Ursprünglich wollten wir früher aufbrechen und mit die Ersten sein, die an diesem Tag auf dem Gipfel stehen sollten. Doch ein paar besondere Umstände haben uns in unserer Zeitplanung etwas zurückgeworfen. Und so sind wir erst gegen 10 Uhr vom Mittelbergjoch auf den oberen Teil des Taschachferner abgestiegen. Die Schneeverhältnisse in diesen frühen Novembertagen ließen nur einen Teil des Abstiegs auf Skiern zu.
Auffellen, anseilen, Rhythmus halten
Das Gehen in der Seilschaft kannte ich schon von unserer Gletscherausbildung am Taschachferner. Und dennoch ist es immer wieder eine Umstellung. Muss man sich doch auf den Rhythmus des Vorausgehenden anpassen. Gerade in steileren Passagen, dann noch mit Skiern unter den Füßen, dauert es, bis man sich aufeinander eingespielt hat.
Glücklicherweise ist der Aufstieg in Richtung Wildspitze nur mäßig steil. Wenn überhaupt, dann ist es eine kurze Stufe unterhalb des Skidepots, die etwas mehr am Seil und damit auch an den Nerven zerren kann.
Und dennoch ist der Aufstieg am Seil ein wichtiger Sicherheitsaspekt bei Skitouren auf dem Gletscher. Während bei Sommertouren mit Bergschuhen an den Füßen im Auf- wie auch im Abstieg am Seil gegangen wird, beschränkt sich das bei Gletscherskitouren auf den Aufstieg.
Aufgrund günstigerer Belastungsverhältnisse und der Tatsache, dass der Schnee eine teils tragende Decke bildet**. Genau dieser Umstand birgt aber auch ein gewisses Gefahrenpotenzial. Daher haben wir unsere Tour auch mit einem erfahrenen Bergführer durchgeführt, der Schneeverhältnisse und den Gletscher selbst aus dem Effeff kennt.
Bis zum Horizont und ein Stück darüber hinaus
Schritt für Schritt nähern wir uns dem Skidepot, gute 100 Höhenmeter unterhalb des Gipfels der Wildspitze. Der Wind frischt in diesen frühen Nachmittagsstunden noch einmal auf. Daher sind wir froh, die Felle bereits bei unserer Ankunft abgezogen und verstaut zu haben. So gilt es lediglich die Steigeisen sicher zu verpacken, den Gehmodus der Skischuhe auf »Spaß« einzustellen und sich auf die bevorstehende Abfahrt zu freuen.
Immer noch beherrscht das einmalige Panorama und eine glasklare Sicht die Szenerie.
Wir folgen unseren Aufstiegsspuren bis zum steileren Hang unterhalb des Mitterkarjoch. Hier verlieren sich die Spuren als Resultat des Westwinds, der uns entgegenbläst und die ein oder andere Eisplatte freilegt. Über die Stufe geht es hinunter in die weite Hochebene beim Hinteren Brochkogel. Vor uns baut sich die markante Petersenspitze auf, die ebenso Orientierungspunkt ist, wie die wieder sichtbaren Spuren unseres Aufstiegs.
Power, Powder, Sonnenschein
Der Schnee hat zu dieser fortgeschrittenen Stunde etwas an seiner Leichtigkeit verloren. Ein leichter kristallener Deckel tut sein Übriges. Und trotz des schweren Schnees und der vielen Bilder und Eindrücke im Gepäck ist die Abfahrt ein Genuss. Auch, wenn der Krafteinsatz aufgrund des mangelnden Techniktrainings auf dieser ersten Skitour des Winters sicher höher als sonst. Aber die Hänge sind flach und verzeihen den ein oder anderen Verschneider.
Wie schon bei unserem Abstieg vom Mittelbergjoch, so erreichen wir auch jetzt den Aufstiegsweg bei herrlichem Sonnenschein und besten, griffigen Bedingungen. Per Pedes geht es zurück auf das Joch, nicht ohne den Blick immer wieder nach Süden wandern zu lassen.
Zu den Spuren, die wir an diesem Tag im Schnee hinterlassen haben. Und zu den vielen Eindrücken, die gar nicht alle auf den Speicherkarten unserer Kameras Platz haben, die sich aber fest in unserer Erinnerung eingebrannt haben. Die Bilder von diesem herrlichen Erlebnis. Die Bilder der Skitour auf die Wildspitze. Die Bilder vom Dach Tirols.