So sieht der DAV die Ausbaupläne am Grünten

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Zuletzt aktualisiert am 23. Oktober 2021

Der Grünten, der Wächter des Allgäus, liegt ganz im Norden der Allgäuer Hauptalpen. Im Eingang zum Oberallgäu. Der Berg ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt.

In früheren Jahren herrschte am Grünten noch reger Skibetrieb, bis dieser 2017 bis 2019 eingestellt wurde. Der Betrieb wurde nach Übernahme durch einen Investor teilweise wieder aufgenommen. Großes Ziel ist jedoch eine umfassende Modernisierung der Liftanlagen die nicht nur den Winter-, sondern auch den Sommerbetrieb möglich machen soll.

Ein Plan der bei den Gegnern auf viel Kritik stößt. Letztlich sehen viele jetzt schon einen „Overtourism“ und möchten den Berg in seiner jetzigen Art erhalten. Eine Landfläche, in diesem Fall ein Berg, verträgt nunmal aufgrund seiner Ausdehnung nur eine gewisse Anzahl an Menschen. Zudem müssen die Besucher und Gäste nicht nur am Berg, sondern bereits und der Zufahrt im Tal gelenkt werden. Zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen oder ein massiver Ausbau des ÖPNV stünden an. Die Tatsache, dass ein Skibetrieb in den Wintermonaten künftig nur noch mittels Beschneiungsanlagen möglich sein wird, ist ein zusätzlicher Streitpunkt.

Erste Skitour des Jahres auf den Grünten
Im Winter ist der Grünten bei Skitourengängern beliebt

Dass in Tourismus-Destinationen auch Bergbahnen eine wichtige Rolle einnehmen ist unbestritten. An vielen Tälern Norditaliens kann man sehen was geschieht, wenn notwendige Investitionen ausfallen. Abwanderung, Verarmung, Verfall der Kulturlandschaft. Der Tourismus im Allgäu hat jedoch andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Andererseits kann man an Beispielen aus Südtirol auch sehen wie ein klimaneutraler Skitourismus inklusive gezielter Schneeproduktion möglich sein kann, nimmt man die Anreise einmal aus dieser Formel heraus. Aber auch das Südtirol hat andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen.

Manchmal meint man, dass das Zerren um den Berg im Allgäu fast schon zu einem symbolischen Kampf geworden um die Freiheit geworden ist. Die Freiheit der Allgäuer, oder zumindest Einzelner, die „Ihren Berg und Ihren Rückzugsort“ nicht mit anderen teilen möchten. So zumindest werden die ein oder anderen Stimmen in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

„Grundsätzlich ist gegen eine Förderung des Tourismus nichts einzuwenden“

Dass der Berg bereits aktuell ein sehr stark frequentiertes Ziel von Einheimischen und Touristen gleichermaßen ist, dass auch größere Veranstaltungen am Berg stattfinden, und dass bereits heute ausgewiesene Schutz- und Ruhezonen der tatsächlichen Bergbewohner wenig Beachtung findet, ist jedoch eine Tatsache.  So oder so: die Fronten der Befürworter und Gegner sind verhärtet wie man aus der öffentlichen Berichterstattung und auch auf den Webseiten der Befürworter und Gegner lesen kann.

Der Deutsche Alpenverein e.V. hat zu den Ausbauplänen am Grünten nun in einer Pressemitteilung Stellung genommen und kritisiert gezielte Themenpunkte. Dabei betont der Leiter des Ressort Naturschutz und Kartografie des DAV, Steffen Reich: „Grundsätzlich ist gegen eine Förderung des Tourismus nichts einzuwenden, aber mit den vorliegenden Ausbauplänen der Unternehmerfamilie sind noch zu große Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden“.

Und darum geht es: die Ausbaupläne am Grünten

Die Pläne sehen eine 10er Gondel im ganzjährigen Betrieb inklusive neuer Talstation und Parkhaus vor, zusätzlich Gastbronomie an zwei Standorten im Bereich der Bergstation sowie einen neu gebauten Weg mit Beschneiungsanlage, der im Winter als Rodelbahn genutzt werden soll.

Eingriffe im Landschaftsschutzgebiet

Einer der zentralen Kritikpunkte des DAV ist die Versiegelung neuer Flächen im Landschaftsschutzgebiet. „Für uns ist schwer nachvollziehbar, warum die Planungen nicht die bereits bebauten Flächen nutzen. Für die Gondel soll eine neue Trasse angelegt werden, der Parkplatz, ein Parkhaus und die Talstation der Bahn sind an einem neuen Standort geplant. Das bedeutet unnötige Rodungen und Flächenversiegelungen – und das in einem Landschaftsschutzgebiet“, erklärt Steffen Reich.

Besucherströme, Lenkungs- und Mobilitätskonzepte

Die Ausbaupläne am Grünten konzentrieren sich in der vorliegenden Form auf den Ski- und Rodelsport sowie in den Sommermonaten auf Gäste, die die neue Gondel für einen Bergausflug nutzen. Aus Sicht des DAV fehlt bislang ein umfassendes Konzept zur Besucherlenkung, zumal mit einem Seilbahn-Sommerbetrieb noch mehr Menschen auch in der Gipfelregion des Grüntens unterwegs sein werden. Schon heute besteht großer Handlungsbedarf, die Wanderwege zu sanieren und Erholungsuchende naturverträglich zu lenken. Zudem sollte das Konzept auf ein möglichst konfliktfreies Miteinander unterschiedlicher Freizeitnutzungen wie Mountainbiken, Wandern, Klettern, Skitouren- und Schneeschuhgehen etc. abzielen.

„Wir sind außerdem überzeugt, dass immer mehr Parkplätze nicht die Lösung sind. In Zeiten des Klimawandels brauchen wir Optionen für eine klimafreundliche Anreise!“, unterstreicht Steffen Reich. Eine bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr – beispielsweise durch Shuttle-Dienste vom Bahnhof Immenstadt – sowie eine Förderung von Sharing-Angeboten vor Ort wäre aus Sicht des Deutschen Alpenvereins eine wünschenswerte Mobilitätsplanung. So könnte auch die erwartete Verkehrsbelastung in den umliegenden Orten reduziert werden.

Technische Beschneidung in niedrigen Lagen

Der Grünten als „Wächter des Allgäus“ ist einer der am weitesten nördlich gelegenen Gipfel der Allgäuer Alpen. Durch diese Lage ist er milden Westwinden besonders ausgesetzt, Wärmeeinbrüche im Winter sind schon jetzt keine Seltenheit mehr. Der voranschreitende Klimawandel wird dieses Phänomen weiter verstärken. Hinzu kommt die vergleichsweise niedrige Lage des Skigebiets am 1738 Meter hohen Grünten. „Künstliche Beschneiung ist dort weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar“, schlussfolgert Steffen Reich.

Keine Eventisierung der Berge

Vor rund zwei Jahren legte der Investor das erste Modernisierungskonzept für den Grünten vor. In diesen Plänen war noch eine „Walderlebnisbahn“ enthalten. Obwohl dieses Vorhaben aus den aktuellen Plänen gestrichen wurde, sorgt sich der DAV um mögliche zukünftige Planungen. „Wir fürchten, dass solche Erlebnisinstallationen in folgenden Ausbauschritten wieder in Erwägung gezogen werden. Deshalb sprechen wir uns klar gegen eine Eventisierung der Berge aus und fordern, dass solche Angebote vertraglich ausgeschlossen werden“, so Steffen Reich.


Kommentar
Grundsätzlich ist die Modernisierung bestehender Anlagen ein besserer Weg wie ein Neubau. Eine Bergbahn selbst kann auch zu einer Besucherlenkung beitragen, wenn man über den Tellerrand und den eigenen Gipfel hinausdenkt.

Dennoch müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Zu den Rahmenbedingungen gehört heutzutage definitiv ein sattelfestes Mobilitätskonzept. Es geht also um die Infrastruktur einer gesamten Region, oder Teile davon. Sieht man sich Täler in den Nordalpen an, ächzen diese massiv unter dem Ansturm von Tagestouristen. Hinzu kommt der „ganz normale Berufsverkehr“. Beides meist zeitgleich.

Immens wichtig ist auch die Einordnung touristischer Großprojekte in das Gesamtkonzept einer Region. Sanfter, naturnaher Tourismus? Erlebnis-Tourismus? Tagestourismus? Nächtigungstourismus? Und da es, aus Vermarktungssicht auch immer mehrere Kunden gibt: wann und wie werden Einheimische in dieses Konzept eingebunden!? Ohne die breite Unterstützung aller Interessensgruppen sind jegliche Pläne zum Scheitern verurteilt. Das beutetet aber auch, dass Investitionen in Gebieten künftig ausbleiben und an anderen Orten getätigt werden könnten. Damit kommt wiederum das touristische Gesamtkonzept in den Blick. Es ist ein Kreislauf. 

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4 Antworten

  1. Max Stark

    Dass Lenkungsmaßnahmen absolut nötig sind, steht außer Frage. Aber welch Armutszeugnis, wenn dies nur durch solch eine monströse Infrastruktur, die neu geschaffen werden soll, gelingen kann/soll. Besonders gut finde ich Ihren Hinweis auf ein (über)regionales Gesamtkonzept, welches hier als erstes erarbeitet werden sollte. Der Investor hat in der Vergangenheit gerne 2 Schritte auf einmal gemacht, und ist damit gescheitert – ein „Hauruck-Verfahren“ ohne die Partizipatiom aller wichtiger Umweltverbände & Grundstückseigentümer war zum Scheitern verurteilt. Fazit: ich finde die Stellungnahme des DAV erst einmal im Kern sehr gut gelungen. Inwiefern seht ihr eine Bahn als Besucherlenkungsargument? Was meint ihr mit „Über den Tellerrand schauen“? Besteht nicht die Gefahr, dass dann irgendwann überspitzt gesagt von Investoren die Gleichung „Seilbahnbau = Naturschutz“ benutzt wird?

    • Björn von Bergparadiese.de

      Hallo Max, vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich sehe durchaus die Möglichkeit einer Lenkungsfunktion, wenn es im überregionalen Kontext gesehen wird. Also nicht nur bezogen auf die einzelne Situation vor Ort, sondern auf die Besucherströme in einer ganzen Region. Das ist auch der „Tellerrand“. So kann einerseits Druck von anderer Stelle genommen, andererseits Druck an nicht erschlossenen Orten verhindert/vermindert werden. Hier ist aber auch wieder die Verkehrssituation und die Möglichkeiten elementar. Zu einer sinnvollen Erschließung (und damit meine ich nicht Neubauten, sondern in aktuellen Zeiten ausschließlich Modernisierung/Ersatz) gehört natürlich auch ein sinniges Wegekonzept – am besten gepaart mit Aufklärung und Sensibilisierung. Das aber muss definitiv zum Berg und den dortigen Gegebenheiten passen. Ein solches Wegekonzept gehört aber im Übrigen auch ohne Aufstiegshilfen umgesetzt. Von daher ist der Seilbahnbau natürlich nicht gleichzusetzen mit Naturschutz. Die Fragen die sich für den Grünten aus meiner Sicht stellen: macht die Modernisierung von Anlagen in dieser Lage für den Winterbetrieb heutzutage überhaupt Sinn? Und gibt es überhaupt genüg Fläche für einen Sommerbetrieb (Stichwort Kapazität der geplanten Anlagen)? Meiner Meinung nach zwei Antworten, die relativ eindeutig sind. Ich glaube auch, dass man einen Schritt nach dem andern gehen muss. Vor dem ersten Schritt wäre aber wichtig zu wissen, wer mich begleitet und die mitnehmen, die im ersten Moment vielleicht nicht so weit gehen können oder möchten. Ich bin hier aus Marketing-Sicht wieder beim „inneren Kunden“. Da ließen sich sicherlich die ein oder anderen Ideen finden, die die Schärfe aus einem solchen Vorhaben nehmen und zugleich die Menschen mitnehmen würden. Natürlich müsste man vermutlich von der Profitorientierung und dem Zeitpunkt des ROI Abstand nehmen – aber das sind heutzutage sicher auch Dinge, in Sachen Natur nicht zwingend an der ersten Stelle stehen sollten. Viele Grüße, Björn von Bergparadiese.de

  2. Martin

    Ich bin der Meinung dass der Grünten momentan schon stark besucht ist, hauptsächlich an Wochenenden. Grob geschätzt zählt man am Gipfel bis zu 50 Personen plus minus gleichzeitig. Da es mein Hausberg ist nutze ich ihn zum Trailrunning oder einfach nur um mit der Familie zu entspannen. Für ein derartiges Vorhaben den Berg auch für den Skitourismus zu nutzen bin ich dagegen um auch einfach die Flora und Fauna zu schützen. Meiner Meinung nach würde ein Sessellift bis zur Grüntenhütte wie er z.B. auf dem Mittag in Immenstadt vorhanden ist vollkommen ausreichend sein um denen die es körperlich nicht schaffen auf den Gipfel zu kommen den Aufstieg etwas zu erleichtern.

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